Auf Twitch loslegen, aber wie? Ich habe den Test gemacht und bin für dich auf Twitch online gegangen. Ich berichte über meine Erfahrungen, meine Vorbereitung, den ersten Stream und was ich dabei erlebt habe.

Autor: Petru Leuthold

Twitch ist eine Social Media Plattform, das Amazon zugehörig ist. Falls Twitch noch ein Fremdwort für dich ist, empfehle ich dir unseren Artikel TWITCH Style Influencer. Auf die Plattform habe ich ein besonderes Augenmerk geworfen, denn sie hat eine interessante Funktion, die alle anderen Sozialen Medien so nicht haben. Zuschauer können dem Twitcher, so werden die Streamer auf Twitch genannt, direkt Geld senden. Dass das nicht nur ein kleiner Nebenverdienst sein kann, zeigt folgende Schätzung des Online-Magazins ingame, die aufzeigt, dass auch deutsche Twitcher siebenstellige Einnahmen generieren. Das Modell hat auch noch einen weiteren Vorteil. Influencer und Content Creator können so unabhängiger von Werbedeals werden und vor allem für deren Content monetär belohnt werden. Klingt interessant? Finde ich auch! Doch wie sehen die ersten Schritte aus? Um bestmöglichst darüber berichten zu können, bin ich für Dich online gegangen. Hier sind meine Erfahrungen sowie Empfehlungen, die daraus hervorgehen.

Die Vorgeschichte

Als Danielle ihre Recherche zum oben genannten Twitch-Artikel begonnen hat, habe ich mir auch einen Twitch-Account anlegt, um mir ebenfalls einen Eindruck davon zu machen.

Der erste Eindruck war, dass die Plattform ein echter Fernseher Ersatz sein kann, aber mit einem entscheidenden Unterschied. Streamer und Zuschauer sind in ständiger Interaktion miteinander und zwar live per Chat. Als erstes schaue ich mir die Funktionen in der Twitch-App an. Anschließend besuche ich ein paar Livestreams und sehe mir an, wie andere Twitcher ihre Arbeit machen. Weil er Nintendo spielt und ich die Konsole mag, tippe ich auf den Livestream des Twitchers Heiko986 . Zunächst komme ich mit dem Chat nicht klar. Da steht etwas über Bits und Points und dann kann ich zunächst auch keine Möglichkeit finden den Kanal zu abonnieren. Der Twitcher kann mir sicherlich helfen und  ich stelle ihm ein paar echt blöde Anfängerfragen. Heiko antwortet mir live in seinem Stream, hilft mir mit meinen Fragen und zack, hat er schon mein Herz erobert. Natürlich abonniere ich seinen Kanal. Nach dem ersten Erlebnis, sprühen schon die Funken was ich wohl streamen könnte, um mich in der Rolle eines Twitchers hineinversetzen zu können. 

Ein paar Gedanken später habe ich die Idee: Auf zocken habe ich keine Lust, aber ich will mich endlich mal wieder sportlich betätigen. In den letzten Monaten, ach was sage ich, in den letzten Jahren, hat es nämlich mit dem Sport nicht so gut geklappt, wie ich mir das gewünscht habe, obwohl Sport schon immer ein wichtiger Teil meines Lebens war. Also lasse ich beim nächsten Training die Kamera einfach laufen und fordere die Leute auf mitzumachen. Wenn sie darauf einsteigen, kann ich ja richtige Workshops geben. Ein Ass habe ich da schon im Ärmel. Ich bin bereits Trainer. 

Der nächste Gedanke ist, wo mein Set sein soll. Mein Glück: Als ehrenamtlicher Taekwon-Do Trainer (Taekwon-Do ist mein großes Hobby) habe ich Zugang zum Black Belt Center Bamberg (BBCB), die Taekwon-Do Schule, in der ich seit 1996 trainiere. Das Setting ist perfekt.

Der erste Stream

Tools und Tests

Von der Idee bis zum ersten Stream hat es ein paar Wochen gedauert. Das Problem ist die mangelnde Freizeit. An einem Samstag Abend war es aber soweit. Im BBCB angekommen, ziehe ich mein Smartphone raus und teste ein paar Perspektiven mit der Frontkamera. Indem ich die Frontkamera nutze, kann ich während des Streams den Chat im Auge behalten und sehe ob es Zuschauer gibt. Gefilmt wird mit einem Samsung Galaxy Note 20 5G Ultra über die Twitch-App. Auch wenn das Handy super gut ist, die Frontkamera ist nicht so gut wie die Hauptkamera auf der Rückseite. Das Licht im Raum ist nicht optimal, also habe ich mit Qualitätseinbußen im Bild zu tun. “So ist es halt gerade. Ein anderes Mal kann ich es ja besser machen, wenn ich das möchte. Jetzt gilt es sich auszuprobieren und das im Quick and Dirty-Stil. Das macht Laune”, sage ich zu mir und konzentriere mich auf die nächsten Schritte.

Die passende Perspektive finde ich, indem ich das Handy quer auf die Seite direkt auf den Boden lege. Hilfreich ist dabei die Handyhülle, die ich nutze. Sie hat einen Kickstand und steht schon mal von alleine. Dennoch brauche ich noch eine kleine Erhebung, damit das Handy etwas mehr nach vorne geneigt ist. Ein kleiner Helfer ist schnell gefunden. Ein paar Brustaufnäher, die unter dem Kickstand gelegt werden. Vor der Kamera teste ich anschließend, wie ich mich im Raum positionieren soll, um gut ins Bild zu passen. Für die Übungen muss das sowohl im Stehen, im Liegen als auch im Sitzen gut aussehen. Auch das ist schnell erledigt.

Deutsch oder Englisch?

Bevor ich mit dem Stream beginne habe ich noch eine Überlegung. Deutsch oder Englisch? Ich entscheide mich für Englisch. Mein Englisch ist ok aber not fluent. Das ist mir aber insofern egal, da ich eh nicht viel sprechen möchte. Mein Konzept ist ja einfach für mich zu trainieren und die Zuschauer können es mir nachmachen, wenn sie darauf Lust haben. Bei Erfolg muss ich zwar ein paar Anweisungen geben, aber jedes Problem wird zu seiner Zeit gelöst. 

Warum eigentlich auf Englisch, wirst du dich fragen? Eigentlich einfach. Ich versetze mich in eine Person, die mit Twitch ein Standbein aufbauen möchte. Mit der englischen Sprache erreichst du mehr Leute auf der Welt als mit der deutschen Sprache. Sprich, der Markt ist größer, also können mehr Menschen erreicht werden. Deshalb haben englischsprachige Kanäle in der Regel ganz andere Einkommenspotenziale als deutschsprachige. Und noch ein wichtiges Kriterium spielt bei meiner Entscheidung eine Rolle. Deutschsprachige Kanäle besitze ich bereits. Mit einem englischsprachigen Kanal  wollte ich mich aber schon immer mal ausprobieren. Das ist die Gelegenheit und ich mach es ja eh zunächst nur aus Neugier. Ändern kann ich es auch jederzeit. Also, nothing to lose!

Ich bin LIVE!

Setting passt, Konzept passt, Kameraperspektive passt! Es fehlt nur noch auf LIVE GEHEN zu klicken. Da stellt sich mir die Frage, kann ich auch einen Titel für das Video bzw. den Stream angeben, bevor ich live gehe? Egal, das werde ich schon sehen. Ich tippe auf “Live gehen” und da kommt die gewünschte Option, bevor der Stream startet. Ich kann einen Titel eingeben und eine Kategorie auswählen. Ich wähle als Kategorie Sport aus und kann den Stream auch gleich auf andere Soziale Medien teilen. Das Teilen lasse ich sein, da ich neugierig bin, ob ohne jegliche Promo jemand aus dem Twitch-Universum mein Stream besucht. Mit leichter Aufregung tippe ich auf den großen blauen Button “Stream starten”. Ich bin LIVE!

Ich gehe auf meine zuvor markierte Position, nehme das Springseil  in die Hand und beginne damit zu trainieren. Mit der Hoodie-Kapuze auf dem Kopf, es ist nämlich sehr kalt im Raum, und der Trainingshose, fühle ich mich ein bisschen wie Rocky in seinen besten Zeiten. Nach dem ersten Warm-up mache ich eine kleine Pause und schaue auf das Handy, ob jemand zuschaut. Und tatsächlich! Ein Zuschauer! Ich freue mich sehr, bleibe aber cool und mache es den großen Twitcher nach. Ich begrüße den Zuschauer, erkläre in kurzen Worten, worum sich der Stream dreht und wünsche viel Spaß beim Zuschauen und Mitmachen.

Zwischendurch geht mir auch mal die Puste aus und da kommen mir komische Gedanken wie “Was soll der Zuschauer jetzt denken. Von dem soll ich mir was abschauen?”. Mir wird bewusst, wie bescheuert der Gedanke ist und er wird gleich verworfen - “Keep going you are a twitcher!” Ich mache weiter, schaue immer wieder, ob der Zuschauer noch da ist und wundere mich, dass es so ist. “Jetzt macht es Spaß”, denke ich mir. Nach 38 Minuten ist das Training vorbei. Ich bin zwar geschafft, aber ich nehme die Gelegenheit und bedanke mich fürs Zuschauen und frage ob es dem Zuschauer gefallen hat oder nicht. Die Reaktion: Gar keine! Ich muss darüber schmunzeln. Ich beende den Stream.

Nach dem Stream

Direkt im Anschluss möchte ich prüfen, was mit dem Stream passiert. Zunächst war ich aber nicht sicher, ob ich den Stream auch wirklich beendet habe. Das Bild war zwar weg, aber die Uhr der Aufzeichnung lief weiter. Um sicher zu gehen, das ich wirklich offline bin, schließe ich die Twitch-App und starte sie neu. Jetzt bin ich sicher offline. 

Was ich an der App nicht nachvollziehen konnte war, ob der Stream als Aufzeichnung auf meinem Twitch-Kanal abgespeichert wurde und falls ja, die Aufzeichnung für alle sichtbar ist. Ich hätte sie nämlich gerne online gestellt, um zu sehen, wie das Video auf meinem Kanal später wirkt. Ich finde dazu aber nichts und entscheide, etwas enttäuscht, es später zuhause auf dem Laptop zu überprüfen.

Am späten Abend öffne ich den Laptop und bin positiv überrascht, das Twitch mir per E-Mail eine Zusammenfassung der Daten des Streams zugeschickt hat. Darin auch einen Link zu den Statistiken direkt auf Twitch. Ein Klick darauf öffnet ein neues Browserfenster und ich gelange nach Eingabe der Zugangsdaten im Creator-Dashboard von Twitch. Bis zu diesem Moment hatte ich nicht gewusst, dass es diesen Bereich gibt. Und ich bin wieder positiv überrascht. So ein Dashboard, das zugleich aufgeräumt und gut strukturiert ist, sieht man selten. Was stark auffällt ist, dass man gleich zu Beginn gut sichtbare Links zu den Twitch-Grundlagen erhält. Es wird nicht nur das Dashboard erklärt, sondern mir werden auch gleich Tipps gegeben, wie man überhaupt anfängt, welche Technik man benötigt, wie man Geld mit Twitch verdienen kann usw. Ich spüre, wie ich Lust bekomme mich mehr mit der Plattform zu beschäftigen. Mir wird ein Gefühl vermittelt als Creator an die Hand genommen zu werden, ja ernst genommen zu werden. Da möchte jemand, mir die Gelegenheit geben mehr zu produzieren und mein Erfolg herbeizuführen! 

Und noch eine Sache fällt auf. Gamification spielt im Creator-Dashboard eine ganz große Rolle, was sicherlich auch mit dem Ursprung von Twitch zusammenhängt, nämlich das Gaming. Es werden Challenges angeboten, die mir Tipps geben, um mich als Creator auf Twitch weiter zu entwickeln. Was mir gefällt ist, dass die Challenges klein anfangen. Die Ziele scheinen realistisch zu sein, mein Spieltrieb ist entfacht. Meine nächste vorgegebene Challenge ist, fünf Zuschauer zur gleichen Zeit in einem Stream zu haben. Gedanklich bin ich voll dabei, mir zu überlegen wie ich das schaffe. Nur ein Problem bleibt, meine Zeit. Aber das ist eine andere Geschichte. 

Erste Analyse: Gutes und Verbesserungswürdiges

Was war gut? Was sollte beim nächsten Mal verbessert werden?  Diese Fragen stelle ich mir und schaue die Aufzeichnung an. Ebenso auch wie mein Kanal aussieht und wirkt.

Was gut lief

Positiv ist, dass ich ein Konzept habe, das mir Spaß macht es weiter zu führen. Live vor der Kamera zu stehen war für mich im Ganzen auch in Ordnung. Ebenfalls bin ich glücklich über die Location. Auch der erste Stream war technisch gesehen unproblematisch und ging reibungslos. Bisher bin ich zufrieden.

Optimierungspotenziale

Auf der anderen Seite sind mir einige Dinge aufgefallen, die unbedingt verbessert werden sollten. 

  1. Ich fange zunächst bei mir an und meiner Performance. Die Übungen waren gut, aber als Trainer und Motivator war ich zu zaghaft. Ich muss den Trainer, der sonst vor Leuten steht, entfesseln. Workshops vor der Kamera zu halten ist zwar anders, man sieht ja die Reaktionen des Gegenübers nicht, aber das sollte ich schnell und mit jedem Stream besser hinkriegen. Das Problem ist schon so gut wie gelöst.
  2. Der Ton war grauenhaft, was an den wireless Kopfhörer liegt, die ich während des Streams genutzt habe. Wenn ich später Leute zum Mitmachen aktivieren will und sie Spaß haben sollen, MUSS der Ton sitzen.

    Die Lösung dafür wartet schonmal in unserer Redaktion. Ein Richtmikrofon von RODE für Smartphones, das bisher gute Arbeit macht. Den werde ich beim nächsten Mal benutzen.
  3. Die Kombination aus schwacher Frontkamera am Smartphone und schlechtem Raumlicht, jedenfalls was Filmen angeht, führt zu einem Bildergebnis das fürs Erste ok ist. Insgesamt ist das Bild aber an der Grenze zu schlecht.

    Um das Problem zu lösen, fallen mir gleich mehrere Optionen ein. Die einfachste ist, ein paar Film- oder Fotolampen aufzustellen. Noch besser wird das Ergebnis, wenn ich die Sony Kamera, die ich besitze, verwende. Das ist mir fürs erste noch zu viel Arbeit. Falls ich mit dem Handy ein besseres Bild hinkriegen kann, bin ich schneller. Ich versuche es erstmal nur mit mehr Licht.
  4. Mein Kanal ist für Besucher nichtssagend. Das ist schlecht, denn der Spruch "für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance" ist wahrlich zutreffend. Vor allem in Sozialen Medien, wo man nur einen Bruchteil einer Sekunde hat, bevor der Zuschauer wegklickt.

    Eine kurze Beschreibung habe ich zwar hinzugefügt, aber mindestens ein Profilbild muss noch rein. Und dann gibt es noch ein paar Sachen, die angegeben werden können, wie zum Beispiel die nächsten Streams anzukündigen . Diese Punkte sollte ich schnell abarbeiten können.
  5. Aber das größte Problem ist meine fehlende Zeit. Ein paar Streams einzuplanen sollte klappen. Das hier ist ja auch ein Experiment, um dir als Leser erste Tipps für den Start auf Twitch zu geben. Eine Twitch Karriere strebe ich (noch) nicht an, aber ich wäre schon sehr neugierig, wie es sich entwickeln würde, wenn ich das Konzept langfristig aufziehen würde. Mein Kopf rattert wieder.

Ob ich es zukünftig als Streamer schaffe? Wahrscheinlich nicht. Ideen habe ich, aber mir fehlt die Zeit.

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