Seelisch belastend sind die Nachrichten und Bilder, die uns seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs täglich verfolgen. Die Psychologin Dr. Nora-Corina Jakob zeigt Wege, wie wir damit umgehen können, um weiter machen zu können und die Hoffnung nicht zu verlieren.

Gastautorin: Dr. Nora-Corina Jakob

Seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges am 24. Februar verfolgen uns täglich Nachrichten und Bilder von Kampfhandlungen und ihre schrecklichen Folgen. Und wir sehen verzweifelte Menschen, die auf der Flucht um ihr Leben zu schützen. Wir stehen unter Schock, wir fühlen mit den Menschen mit, wir haben Angst oder spüren einfach nur Wut. Es entstehen Emotionen, die uns innerlich blockieren und wir vielleicht in der Art noch gar nicht kennen. Sie können so stark werden, dass wir nicht mehr in der Lage sind zu arbeiten oder Freude zu verspüren. Kurzfristig ist das völlig ok. „Doch wenn wir es nicht mehr schaffen, in unsere psychische Balance zu kommen, ist unsere mentale Gesundheit gefährdet. Dann können sich sogar psychische Störungen wie zum Beispiel Depressionen, Angststörungen oder eine Anpassungsstörung entwickeln,“ sagt die Psychologin Dr. phil. Nora-Corina Jacob.

Doch wie können wir uns in einer solchen Extremsituation verhalten, damit wir die Hoffnung nicht verlieren, weiter machen können oder gar wieder Glück verspüren? Nora-Corina teilt mit uns sechs Tipps aus der positiven Psychologie, die wir im Alltag leicht umsetzen können.

Gastautorin: Dr. Nora-Corina Jacob

Nora-Corina Jacob ist promovierte Psychologin, Podcasterin und Coach für Kreativität und positive Psychologie. Seit 2020 betreibt sie die Coaching-Plattform creativity x you. Darin unterstützt sie Unternehmen und Privatpersonen in Einzelcoachings, Workshops und online Kursen, bei der Förderung ihrer Kreativität. Daneben ist Nora-Corina auch Yoga-Lehrerin.

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1. Positive Emotionen zulassen

So schwer es fällt und wenn es sich vielleicht auch nicht richtig anfühlen mag, gib positiven Emotionen etwas Raum. Das kann auch ganz kleiner Moment des Glücks oder Freude sein. 

Eine Studie aus dem Jahr 2003 von Fredrickson und Togade, hat sich mit den Menschen beschäftigt, die, die Terroranschläge von 11. September 2001 erlebt haben. Es zeigte sich, dass diejenigen Betroffenen, die trotz der schlimmen Erlebnisse Dankbarkeit, Interesse, Liebe oder andere positive Emotionen erlebt haben, geringer von depressiven Symptomen betroffen waren und positiv aus der Krise herauswachsen konnten. Positive Momente, wenn sie auch nur flüchtig waren, machten die Menschen insgesamt resilienter.

2. Psychosoziale Hilfe einholen

Solltest du stark unter der Situation leiden oder gar in der Vergangenheit traumatische Erlebnisse gehabt haben, die nun wieder hochkommen und verarbeitet werden möchten, ist es sinnvoll dir Hilfe von außen zu holen. Du bist nicht auf dich alleine gestellt. Für psychosoziale Hilfe gibt es einige niedrigschwellige Angebote, wie beispielsweise die Telefonseelsorge, die wir für dich in der unteren gelben Box herausgesucht haben.

Genauso kannst du aber auch nach anderen Angeboten direkt in deiner Region suchen. Informiere dich in deiner Gemeinde, welche Stellen vor Ort psychosoziale Hilfe anbieten. Es gibt Angebote für Gruppengespräche, einzelne Beratungsgespräche oder Betreuungsangebote um nur einige zu nennen.

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Deutsche Telefonseelsorge:

Bei der Deutsche Telefonseelsorge helfen ehrenamtliche Mitarbeiter beim Umgang mit Gefühlen. Die Telefonseelsorge ist kostenfrei und rund um die Uhr unter folgenden Telefonnummern erreichbar:
Tel. 1: 0800 / 111 0 111
Tel. 2: 0800 / 111 0 222
Tel. 3: 116 123

Deutsche Telefonseelsorge per Mail und Chat:
Falls du nicht telefonieren möchtest oder kannst, gibt es die Deutsche Telefonseelsorge auch als Mail und per Chat. Vor-Ort-Termine sind auch möglich. Den kostenlosen und anonymen Dienst erreichst du über die Webseite online.telefonseelsorge.de

3. Medienkonsum begrenzen

Der Konsum von Nachrichten kann uns ein Gefühl der Sicherheit geben, da wir das Gefühl kriegen, die Situation einschätzen zu können. Zu viel Medienkonsum kann jedoch dazu führen, dass sich deine Sorgen, Ängsten und Verunsicherungen verstärken. Ein Problem können insbesondere die Live-Ticker sein, die stündlich oder minütlich neueste Meldungen abfeuern. Sie den ganzen Tag zu konsumieren führt dazu, dass wir nicht mehr abschalten können, was wiederum die negativen Gefühle weiter verstärkt.

Setz Dir deswegen Zeiten fest, in denen du keine Nachrichten konsumierst. Insbesondere ist das vor dem Schlaf und nach dem Aufwachen wichtig. Vor dem Schlaf, damit dein Geist zu Ruhe kommt, nach dem Aufwachen, damit du gut und mit ausreichend Energie in den Tag starten kannst.

4. Sprich mit anderen darüber wie du dich fühlst

Es ist gut mit anderen Leuten über unsere Gefühle sprechen. So können wir erkennen, dass wir nicht alleine mit den Gefühlen sind. Zu wissen, dass andere ähnlich empfinden, stärkt uns. Es gibt uns Kraft. Über die Gespräche können wir zudem das gesehene verarbeiten. 

Nimm dir also hin und wieder Zeit, mit vertrauten Freunden, Bekannten, Partner:in oder mit der Familie über deine Gedanken und Emotionen zu reden.

5. Mithelfen um Machtlosigkeit entgegen zu treten

Solltest du dich in dieser Situation machtlos fühlen, kann es sinnvoll sein, Maßnahmen dagegen zu ergreifen. Vielleicht gibt es eine kleine Ebene, in der du dich aktiv für eine Verbesserung der Situation einzusetzen kannst. Beispielsweise könntest du humanitäre Maßnahmen unterstützen. Du könntest dich aktiv beim Sammeln, Aufbereiten oder Teilen von Spenden beteiligen, selbst einen Schlafplatz für Geflüchtete anbieten oder einfach selbst etwas spenden, wenn es auch nur eine Kleinigkeit ist.

6. “Fill your Cup first” - Gönn dir Ruhezeiten

Wenn du selbst ausgelaugt bist, kannst du keinem helfen. Es ist ähnlich wie bei einem Notfall in einem Flugzeug. Zunächst musst du dir die Atemschutzmaske anziehen, damit du anschließend deinen Nachbarn helfen kannst. Achte auf dich, indem du mit dir selbst feste Zeiten vereinbarst, in der du etwas Schönes für dich machst, um zur Ruhe und Entspannung zu kommen.

In extremen Situationen kann es sein, dass wir ganz vergessen, was uns guttut. Frage dich, was dir in der Vergangenheit gut getan hat oder was du normalerweise gerne gemacht hast. Vielleicht ist es etwas Entspannung, Bewegung, Sport, ein gutes Essen, soziale Kontakte oder ganz was anderes sein. Egal was, hauptsache es tut dir gut.

Weitere Tipps im Dr. phil. Nora-Corinas Podcast: creativity x you

Falls du weitere Tipps und Techniken zum Umgang mit schwierigen Situationen erfahren möchtest, empfehlen wir dir die Folge 31 aus Nora-Corinas Podcast “creativity x you”, zu hören. Darin geht Nora-Corina tiefer auf die obigen Tipps ein und nennt sieben weitere Möglichkeiten zur Ruhe zu kommen. Daneben erzählt sie auch die herzzerreißende und zugleich motivierende Geschichte des österreichischen Neurologen und Psychiaters Viktor Frankl, der den Zweiten Weltkrieg im Konzentrationslager überlebt hat. Zurückblicken sagte er „Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie.“

Noch mehr von Nora-Corina gibt es auch im INFLZR Podcast Folge #004 zu hören. Darin erzählt sie, wie sie auf soziale Medien blickt und selbst darin aufgeht.

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