Der BGH stellt mit seinen Urteilen vom 9. September 2021 klar, dass Influencer:innen nicht alle Produktbeiträge als Werbung kennzeichnen müssen, sofern sie keine Gegenleistung für das Posting erhalten haben und der Beitrag seinem Gesamteindruck nach nicht übertrieben werblich ist. Wir fassen die BGH-Urteile für euch zusammen und ordnen ein.

Autor: Philipp Pedrós

Influencer:innen erreichen mit ihren Postings ein Millionenpublikum. Oftmals werden darin Produkte von Unternehmen empfohlen. Wann Influencer:innen solche Beiträge als Werbung kennzeichnen müssen, damit hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) in drei prominenten Fällen auseinandergesetzt.

Dabei ging es auch um die Frage, ob sog. “Tap Tags” für Postings ohne Werbekennzeichnung erlaubt sind. Bei Tap Tags handelt es sich um eine Art Verlinkung, bei der durch Anklicken zunächst ein Bild des im Posting zu sehenden Produkts erscheint, und der/die Nutzer*in bei nochmaligem Klicken auf die Instagram-Seite des Produktanbieters weitergeleitet wird.

Kennzeichnungspflicht bei Gegenleistung

In seinen Urteilen vom 9. September 2021 stellt das oberste deutsche Gericht klar, dass Influencer:innen Postings für die sie in irgendeiner Form eine Gegenleistung, sei es Bezahlung, das Produkt selbst oder eine Reise, erhalten haben, als Werbung kennzeichnen müssen.

So wurde in einem der Fälle, in dem die Fitness-Influencerin Luisa-Maxime Huss eine Himbeer-Marmelade empfohlen hatte und den Hersteller, von dem sie für das Posting bezahlt wurde, mit einem Tap Tag markiert hatte, ohne den Beitrag aber ausdrücklich als Werbung zu kennzeichnen, das Urteil der Vorinstanzen auf Unterlassung vom BGH bestätigt.

Keine Kennzeichnung nötig ohne Gegenleistung, solange Gesamteindruck nicht übertrieben werblich

Anders sah es der BGH im Fall von Influencerin Cathy Hummels: diese hatte in einem ihrer Postings einen Plüsch-Elefanten gezeigt, den sie sich nach eigener Aussage selbst gekauft hatte, und den Hersteller verlinkt, ohne den Beitrag als Werbung zu kennzeichnen. Das muss sie auch nicht, stellte nun der BGH klar, da sie keine Gegenleistung für ihr Posting erhalten hat. 

Wichtig ist dabei allerdings auch, dass sowohl die Vor- als auch die Nachteile des Produkts thematisiert werden. Der Beitrag muss einen sachlich informierenden Charakter haben und darf seinem Gesamteindruck nach nicht übertrieben werblich sein. Das wäre etwa der Fall, wenn der/die Influencer*in ohne jede kritische Distanz allein die Vorzüge des Produkts aufzählt, ohne nicht auch dessen Schwachstellen zu benennen. Nur bei einer ausgewogenen Darstellung des Produkts kann der Beitrag als nicht-kommerzielle Meinungsäußerung eingestuft werden, der nicht als Werbebeitrag gekennzeichnet werden muss.

Cathy Hummels zeigte sich erleichtert, nachdem sie vom obersten deutschen Gericht Recht bekam. 

Aber nicht nur für sie stellt das BGH-Urteil einen Erfolg dar, sondern für die gesamte Influencer-Branche. So müssen in Zukunft nur noch Beiträge, für die Influencer:innen eine Gegenleistung erhalten haben oder einen übertrieben werblichen Gesamteindruck haben, als Werbung gekennzeichnet werden. Dagegen müssen Postings, in denen Influencer:innen aus freien Stücken Produkte empfehlen, ohne dafür eine Gegenleistung zu bekommen, nicht als Werbung deklariert werden, solange die Influencer:innen die Vor- und Nachteile des Produkts thematisieren.

Eine weitere Differenzierung nahm der BGH zwischen der Verlinkung von Unternehmen innerhalb der Social-Media-Plattform (z.B. mittels eines Tap Tags auf das Instagram-Profil des Unternehmens) und der Verlinkung von Seiten des Unternehmens, die sich außerhalb der Social-Media-Plattform befinden (z.B. Swipe-Up-Link direkt auf die Unternehmenswebsite). Bei letzterem sieht der BGH die Grenze zur Werbung als überschritten an, sodass in diesem Fall der Beitrag als Werbung gekennzeichnet werden muss.

Die Unterscheidung des BGH  zwischen Links innerhalb und außerhalb der Plattform ist schlüssig, da bei einer Verlinkung innerhalb der Plattform der kommerzielle Bezug weniger direkt ist als bei einer Verlinkung, die Nutzer:innen, weg von der Social-Media-Plattform, direkt auf die Website eines Unternehmens führt.

Aus der Vogelperspektive: Die selbstverschuldete Vertrauenskrise in Influencer:innen ist das eigentliche Problem

Der Herausgeber des INFLZR Magazins Petru Leuthold meint dazu: "Zurückblickend und von oben betrachtet ist das Urteil zurecht von Influencer:innen eingefordert worden. Endlich gibt es eine Regelung, wie die Trennung von Werbung und Redaktion auf Kanälen von Influencer:innen aussehen soll. Das Problem liegt aber tiefer. Über alle Portale hinweg haben einzelne Influencer:innen in den letzten Jahren viel Vertrauen von ihren Communities verspielt, indem sie Werbekooperationen nicht oder nicht deutlich genug hervorgehoben haben. Es ist das Gefühl entstanden, die Meinung von Influencer:innen sei gekauft statt ehrlich gemeint. Das spiegelt sich auch in einem aktuell teilweise schlechten Ruf der Influencer Branche. Klare Spielregeln in Form von Gesetzen sind richtig und nötig um den Influencer:innen Sicherheit beim Posten zu geben. Viel wichtiger ist aber, dass wir Influencer:innen uns unserer Verantwortung gegenüber unseren Communities bewusst werden. Die Menschen, die uns folgen, vertrauen auf unsere Meinung und unsere Beurteilungen. Wenn wir wollen, dass das Vertrauen in unsere Arbeit und unser Dasein wächst, führt kein Weg an einer ehrlichen Berichterstattung und dem Kenntlichmachen von Kooperationen vorbei. Im übrigen zeigen Befragungen aus den letzten Jahren, dass Follower nichts an Werbepostings auszusetzen haben, wenn sie denn als solche markiert werden."

Grundsätzlicher Verzicht auf Verlinkungen für mehr Glaubwürdigkeit?

Eine Möglichkeit, um die Glaubwürdigkeit der Influencer:innen zu stärken, wäre es, bei Produktbeiträgen generell auf eine Verlinkung des Anbieters zu verzichten. Das würde den Beiträgen ihren kommerziellen Charakter nehmen, wodurch diese für die Nutzer:innen einfacher als Meinungsäußerung der Influencer:innen erkennbar wären.

Allerdings könnte man die Verlinkung des Produktanbieters auch als Mehrwert für die Nutzer:innen sehen, die Influencer:innen ihrer Community bieten, damit diese einfacher an weiterführende Informationen zu dem empfohlenen Produkt gelangen. Diese Position wird häufig von Influencer:innen vertreten, die ihrer Meinung nach mit der Verlinkung des Produktanbieters den Bedürfnissen ihrer Follower:innen gerecht werden.

BGH stärkt Glaubwürdigkeit von Influencer:innen 

Mit den Urteilen vom 9. September 2021 folgt der BGH der Argumentation der Influencer:innen und stärkt somit deren Glaubwürdigkeit. Auch die Differenzierung, ob der/die Influencer:in eine Gegenleistung für ein Posting erhalten hat, ist schlüssig als Entscheidungskriterium für eine Kennzeichnungspflicht. Wenn Influencer:innen keine Gegenleistung für eine Produktempfehlung erhalten haben, ist anzunehmen, dass der/die Influencer:in das Produkt aus eigener Überzeugung seiner/ihrer Community empfiehlt. Dadurch handelt es sich in solchen Fällen lediglich um eine Meinungsäußerung des Influencers und gerade nicht um einen kommerziellen Beitrag. Der BGH stärkt mit den Urteilen das Recht der Influencer:innen auf freie Meinungsäußerung sowie deren Glaubwürdigkeit.

Frage nach praktischer Umsetzbarkeit

Auch wenn die Frage, ob Influencer:innen eine Gegenleistung für ein Posting erhalten haben, als Entscheidungskriterium für eine Kennzeichnungspflicht schlüssig ist, bestehen Zweifel an der praktischen Umsetzbarkeit. In solchen Fällen, die der BGH nun beurteilt hat, liegt die Beweislast beim Kläger. Das heißt, dass dieser, in den drei vom BGH beurteilten Fällen der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. (VSW), nachweisen müsste, dass Influencer:innen eine Gegenleistung für ein Posting erhalten haben. Dass das in der Praxis gelingt, erscheint äußerst fraglich, wie der Fachanwalt für IT-Recht Michael Terhaag in einer Stellungnahme zu den BGH-Urteilen beim ZDF erklärt hat.

BGH lässt sich Hintertür offen

Mit dem zusätzlichen Kriterium des übertrieben werblichen Gesamteindrucks lässt sich der BGH eine Hintertür offen, um den Erhalt einer Gegenleistung nicht zum alleinigen Entscheidungskriterium zur Beurteilung für eine Kennzeichnungspflicht zu machen. Das erscheint nicht besonders konsequent, da die Beurteilung, ob ein übertrieben werblicher Gesamteindruck vorliegt, subjektiv ist und damit den Gerichten Spielraum bei der Beurteilung einräumt. Das verhindert Rechtssicherheit für Influencer:innen bei der Frage nach der Kennzeichnungspflicht von Produktbeiträgen.

Klarheit wird wohl erst ein 2022 in Kraft tretendes Gesetz bringen, in dem die Frage, ob Influencer:innen eine Gegenleistung für ein Posting erhalten haben, zum alleinigen Entscheidungskriterium für eine Kennzeichnungspflicht  von Postings als Werbung erhoben wird.

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