2021 wird für Influencer eine turbulente Zeit. Auf der einen Seite gibt es mehr Aufmerksamkeit als jemals zuvor. Andererseits scheint das Vertrauen in Influencer am Tiefpunkt zu sein. Kritik kommt aus allen Richtungen. Doch was sind die Hintergründe, sind sie berechtigt und können Influencer doch noch an Vertrauen aufholen? Wir haben spannende Insights gefunden und zeigen sieben Tipps zur Vertrauensbildung.

Autor: Petru Leuthold

Umfragen unter Jugendlichen zeigen in den letzten Jahren regelmäßig ein ähnliches Ergebnis. Im Schnitt würde gerne jeder dritte Befragte ein Influencer werden oder sein. Das Leben der Instagramer, YouTuber, TikToker und co., scheint oftmals aber auch perfekt zu sein, jedenfalls wird einem das Gefühl vermittelt, schaut man sich so manch ein Profil der Social Media-Stars an.

Das Problem mit den Influencern

Die Erwachsenen hingegen können mit dem Wort Influencer entweder nichts anfangen oder laufen Sturm bei Berührung mit dem Thema. Das Marktforschungsunternehmen YouGov hat beispielsweise im Februar die Ergebnisse einer Befragung veröffentlicht, die gezeigt hat, dass Eltern sich als allerletztes wünschen, dass ihre Kinder mal Social Media-Influencer werden. Oder anders gesagt, jeder andere Job ist besser. Warum? Das steht nicht in der Studie. 

Im Gespräch mit Eltern konnte ich dann doch einigen Bedenken recht schnell auf der Spur kommen. Zum einen besteht die Angst, dass die Kids mit falschen Vorbildern aufgeladen werden, beispielsweise ein Leben das ohne Geld und Luxus nichts wert sei oder dass sie Selbstzweifel kriegen, durch das Suggerieren des Gefühls, ich müsste so hübsch sein wie die Influencer. Darüber hinaus gibt es die Ängste, dass sich die Kids in den Sozialen Medien verlieren und sich somit ein Stück von der Realität lösen, was sich wiederum negativ auf die kognitive Entwicklung und soziale Kompetenz auswirken könnte.

Tatsächlich stehen Influencer öfters in der Kritik, nicht nur bei Eltern, sondern auch in der Presse, wie auch unter ihrer eigenen Riege der Entertainer. Der vielleicht bekannteste Fall aus den letzten Monaten, ist das Influencer-Bashing durch den Comedian Oliver Pocher. Ein Vorwurf ist beispielsweise, dass Influencer ein falsches Vorbild geben oder, dass sie Corona Auflagen nicht ernst nehmen. 

Aber es kommt noch dicker. Im Suhrcamp Verlag ist nun das Buch "Influencer - Die Ideologie der Werbekörper"* erschienen. Die Autoren und Podcaster Wolfgang M. Schmitt und Ole Nymoen, werfen Influencer darin vor, eine Gefahr für die Gesellschaft zu sein. Sie würden alte Geschlechterrollen wiederbeleben, ungesunde Körperformen fördern und insgesamt das Volk wortwörtlich verblöden.

Doch da kommt mir die Frage, wieviel von der Kritik stimmt und was ist Übertreibung? Da das Influencer-Phänomen zwar jung aber nicht mehr das Jüngste ist, gibt es zwischenzeitlich auch einige Studien dazu.

Studien zeigen negative aber auch positive Einflüsse durch Influencer

Bei der Recherche von Studienergebnissen fällt auf, das es keine klare Meinung gibt, ob Influencer und Soziale Medien eher negative oder positive Auswirkungen haben. Beides trifft zu. 

2018 untersuchten die Agenturen Wavemaker und M Science in ihrer Studie “Influencer 3.0” die Verführungskraft von Influencern, auf deren Follower, in der Altersspanne zwischen 11 und 23 Jahren. Das Ergebnis: Influencer wirken motivierend wie auch inspirierend auf ihre jungen Fans. Zudem konnte auch eine Steigerung des Selbstwertes und der Selbstreflexion bei den Followern beobachtet werden. So weit so positiv.

Es fand jedoch auch eine negative Beeinflussung statt. So konnte man bei den Befragten auch Angst, Gruppenzwang wie auch Neid und Selbstzweifel beobachtet werden. Insgesamt stehen die Jugendlichen unter Druck gemocht und geliebt zu werden. Dafür sind sie bereit sich auch im negativen Sinne anzupassen, sowohl geistig wie körperlich.

Einfluss abhängig vom Alter des Rezipienten

Selbige Studie zeigt, dass der Einfluss der Influencer stark vom Alter der Follower abhängig ist. Kids zwischen 11 und 15 Jahren hinterfragen ihre Social Media-Vorbilder nicht und nehmen sie als aufstrebendes Ideal wahr. 

Jugendliche zwischen 16 und 19 Jahren sind schon kritscher. Sie lassen sich nur noch in teilbereichen des Lebens verführen, wo sie Orientierung suchen. Influencer werden hier als Inspirations- und Motivationsquellen genutzt.

Bei den 20 bis 23 jährigen steht der Austausch auf Augenhöhe mit deren Influencern an der Tagesordnung. Bei den Influencern wird nach Anerkennung und Bestätigung des eigenen Lebensstils gesucht. Zugleich “hegen sie eine kritische Faszination” zu den Gefolgten.

Eine weitere Studie von PwC zeigt auch die Beeinflussung auf ältere Jahrgänge. So konnten sie ermitteln, dass die 20 bis 29 jährigen sich mit 53 Prozent mehr beeinflussen lassen als die Kinder zwischen 16 und 19 Jahren, die mit 44 Prozent eine Beeinflussung zugaben. Hier wäre es interessant die Hintergründe für dieses Phänomen näher zu untersuchen. Aus dem Bauchgefühl heraus würde man meinen, dass ältere sich etwas kritischer verhalten würden. Über 60 Jährige lassen sich hingegen mit 12 Prozent kaum noch beeinflussen.

Die Studie “Jugend, YouTube, Kulturelle Bildung. Horizont 2019” vom Rat für Kulturelle Bildung, kommt, was die Beeinflussung von Kindern durch Influencer angeht, auf ähnliche Ergebnisse. Zugleich zeigt sie aber auch, dass Influencer und Soziale Medien eine wichtige Bedeutung im Leben der Jugendliche haben, da sie auch mit guten Lern- und Wissensangeboten aufwarten. Wichtig dabei ist, dass der Zuschauer, unabhängig ob Kind, Erwachsener, Lehrer, die Angebote nicht nur zustimmend annimmt, sondern auch stets hinterfragt. Ein kritischer Umgang ist also richtig.

Wer sich als Influencer versucht eignet sich spielerisch neues Wissen an

Auch was den Berufswunsch “Influencer zu werden” angeht, ist die Wissenschaft eher positiv eingestellt. So beispielsweise auch die Medien­wissenschaftlerin Ulla Autenrieth von der Universität Basel, die im Interview mit dem Schweitzer Elternmagazin Fritz und Fränzi, dafür plädiert, dass der Berufswunsch der Kinder ernst genommen wird. “Ich würde diesen Wunsch auf jeden Fall annehmen und herausfinden, welcher Aspekt sie an dieser Tätigkeit reizt und wie viel Ernsthaftigkeit dahinter steckt.” Sie fügt auch hinzu, dass die Tätigkeit der Influencer nicht banal sondern recht anspruchsvoll sei. “Sie stellen nicht Schnappschüsse ins Netz und beobachten dann, was passiert. Dahinter stecken Recherche und Strategien betreffend Zeitpunkt der Publikation oder Bildsprache – oft haben sie eine eigene Ästhetik, ein Corporate Design. Dazu kommen sehr ausgreifende Arbeitszeiten.” Dem Hobby nachgehen zuzulassen, führt dazu dass sich die Kinder spielerisch neues Wissen aneignen.

Auf die Frage hin warum der Influencer so negativ dargestellt wird, hat Ulla Autenrieth auch eine Erklärung, die wir nur allzu gut von unserer Jugend kennen: “Das liegt an einem Phänomen, das sich durch alle Medienentwicklungen zieht: Was junge Leute machen, besonders was junge Frauen machen, wird von älteren Generationen kritisch betrachtet: Das kann ja nichts Rechtes sein.”  Viele würden die Arbeit der Social Media-Stars als laienhaft bewerten, weil es keinen offiziellen Ausbildungsberuf gibt. Wie breit die Themenfelder sind, mit denen sich der Influencer hinter einem Posting beschäftigt, wird nicht wahrgenommen.

Sind Influencer besser als ihr Ruf?

Die richtige Antwort ist ja und nein. Falsch wäre es alle Influencer pauschal über einen Kamm zu scheren und zu behaupten, sie wären schlecht für die Gesellschaft. Das wäre nicht nur für ausgewiesene Influencer, sondern auch Experten und Content Creator mit großen Reichweiten, die gute Formate anbieten, unfair. Das Gegenteil gilt natürlich auch. Es ist immer der einzelne Influencer zu bewerten. 

Was man bei all der Selbstdarstellung von Influencern und der Beeinflussung durch sie, nicht vergessen darf: Es ist immer alles zu Hinterfragen. Verblöden kann nur der, der das nie gelernt hat. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für die Sozialen Medien sondern allgemein im Leben. Ebenso gilt es nach wie vor, dass das Hinterfragen gefördert werden muss. Das kann der Influencer selbst, ist jedoch nicht wirklich seine Kernaufgabe, sondern die des Erziehungsberechtigten, insbesondere wenn es um die Förderung von Kindern geht. Aber auch der Erwachsene ist angeregt diese Fähigkeit stets auszubauen. Das regelmäßig Shitstorms auf Influencer einprallen, zeigt aber, dass der gesellschaftliche Druck doch besser funktioniert als dargestellt wird. Und Veränderungen finden statt! 

Die heutigen Vorbilder sind andere als im Jahr 2012 als Models die Maßen 60-90-60 tragen mussten. Influencer sind bunt wie die Gesellschaft selbst. Sie sind dünn wie dick, schön wie häßlich, ernst wie verspielt oder polarisierend wie bodenständig. Gerade die Randgruppen und Menschen die sich einem gewissen gesellschaftlichen Ideal nicht anpassen können oder wollen, finden in gleichartigen Influencern eine Legitimation, um so sein zu dürfen, wie sie es eben sind. Wie obige Studienergebnisse zeigen, tragen Influencer in sich das Potenzial, einen positiven und wichtigen Beitrag zur einer offeneren, vielfältigeren wie auch besseren Gesellschaft beizusteuern.

Doch wie können Influencer daran arbeiten Vertrauen aufzubauen, damit die positiven Potentiale ebenfalls Teil des öffentlichen Diskurses werden? Wir haben sieben Tipps hierzu zusammengestellt.

7 Tipps wie Influencer an Vertrauen gewinnen können

Wenn man sich die Frage stellt, wie Influencer Vertrauen aufbauen können, muss man sich zunächst mit den kritischen Stimmen auseinandersetzen, die ich zur Vereinfachung in zwei Gruppen einteile. 

Auf der einen Seite gibt es die enttäuschten Follower, die Kritik an ihren ehemaligen Vorbildern äußern. Diese gilt es zurückzugewinnen. Die zweite Gruppe sind die Personen, die der ganzen Influencer-Branche eher kritisch gegenüberstehen weil sie diese nicht verstehen oder nur vom Hörensagen kennen. Für diese zweite Gruppe ist vor allem der letzte Tipp zur Vertrauensbildung von Bedeutung. 

Durch Aufrichtigkeit (Authentizität) Enttäuschungen vermeiden

Sei authentisch, lautet immer das Standard-Statement, das Newcomer zu Beginn ihrer Influencer Karriere als Erfolgstipp hören. Es stimmt. Aber was heißt das genau? Aufrichtig sein! Das ist eine gute Übersetzung, die jeder verstehen sollte. Sei ehrlich mit deiner Community bei deinen Aussagen und halte Versprechen ein, sofern du welche gibst. Beispielsweise gibt es Bereiche aus dem Privatleben, die du nicht teilen möchtest. Keine zwingt dich dazu. Du kannst es offen ansprechen, dass du darüber nicht berichten möchtest. Das ist ok und das verstehen die Leute.

Bewerbe nur Produkte und Marken, hinter denen du stehst

Geld ist nicht alles. Leute merken schnell, wenn du für etwas wirbst, wovon du nicht überzeugt bist. Das ist eins der wichtigsten Gründe warum sich Follower von Influencern trennen. Tatsächlich sind Follower mit Werbung einverstanden, aber sie möchten Produktempfehlungen erhalten, hinter denen der Influencer auch steht. Die Frage, ob du Werbung schalten solltest stellt sich also nicht. Du solltest eher prüfen zu welchen Kooperationsanfragen du unbedingt nein sagen solltest, weil du damit nichts anfangen kannst.

Stehe zu deiner Veränderung und kommuniziere sie offen

Wer lange im Influencer Business ist, weiß dass die Zeit auch Veränderungen mit sich bringt. Mit dem wachsenden Alter verändern sich deine Interessen, Einstellungen wie auch dein Umfeld. Sofern die Veränderung deine Follower betrifft, beispielsweise, weil du dein Themenschwerpunkt veränderst, kommuniziere die Hintergründe und gib ihnen genügend Zeit sich mit dir zu verändern. Zeige Verständnis für alle Follower, die deinen Weg nicht teilen möchten. Bedanke dich bei ihnen, dass sie dir bis hierhin gefolgt sind.

Zuerst gut recherchieren dann aussprechen

Das ist die Stelle an der ein Influencer zum Experten oder zum Deppen gemacht wird. Wie oft haben Influencer in der Vergangenheit ins Klo gegriffen, weil sie Stellung zu einem Thema genommen haben, ohne das Gehörte zu Hinterfragen. Wie so oft liegt bei jedem Thema die Tücke im Detail. Bevor du zu einem für dich neues Thema Stellung nimmst achte darauf, dass du dich gut eingearbeitet hast. Auch wenn du bereits eine Meinung hast, untersuche auch die gegensätzlichen Argumente. Wenn du das Thema ansprichst, dann nenne am besten alle Blickwinkel. So zeigst du Kompetenz und auch, dass dein Standpunkt wohlüberlegt ist.

Stehe dazu, wenn du mal falsch liegst

Es ist ganz normal, dass wir merken, dass das einmal Gesagte totaler Blödsinn ist. Die wahre Stärke liegt nun darin, dass man dies zugibt und zudem die Menschen auf der Reise mitnimmt, wie das passieren konnte und wie die Veränderung in deinem Kopf stattgefunden hat. Und hast du mal komplett daneben geschossen, ist manchmal auch eine ehrliche Entschuldigung, das einzig Richtige.

“Aus großer Kraft folgt große Verantwortung...”

… sagte Onkel Ben kurz vor seinem Tod zu seinem Neffen Peter Parker, bevor er Spider-Man wurde. Klingt platt, ist es aber nicht. Die oben genannte Influencer 3.0-Studie, hat ebenfalls aufgezeigt, dass die Influencer ihre Macht gegenüber dessen Follower nicht immer einschätzen können oder sie sich nicht bewusst sind. Egal, ob du zehn oder 100.000 Follower hast, denke immer daran, dass du zu nichts aufforderst, was du nicht selbst machen würdest. Es gibt auch labile Follower die wenig hinterfragen, was du sagst und tust. Zeige Verantwortung gegenüber diesen Menschen.

Beteilige dich aktiv an der Professionalisierung der Influencer-Branche

Die Influencer-Branche ist im Vergleich zu anderen eine noch sehr junge. Noch wird sie nicht von vielen verstanden. Regeln für die Branche sind noch nicht klar oder werden erst jetzt entschieden, wie zum Beispiel die richtige Kennzeichnung von Werbepostings, Umgang mit Werbung bei Minderjährigen, Hate Speech usw. Dein Engagement entscheidet in welcher Richtung die Branche hin steuert. Ob sie später ernst genommen wird oder eine Eintagsfliege bleibt. Dazu gibt es bereits unterschiedlichste Projekte. Der Bundestag erarbeitet beispielsweise Gesetze und dafür benötigt es die Meinung der Branchenteilnehmer. Rund um die Influencer-Branche formieren sich aber auch Vereine und Verbände wie beispielsweise der Bundesverband Influencer Marketing E.V. (BVIM), worin auch Influencer Mitglied werden können. So hat der BVIM ein Ethik Kodex für die Influencer Kommunikation herausgearbeitet. Dieser beinhaltet Leitlinien für eine gute Zusammenarbeit zwischen Influencer und Unternehmen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Kritik an Influencern zum Teil berechtigt ist. Sie allein für die gesellschaftlichen Probleme zu beschuldigen, ist aber zu viel des Guten und einfach nur polarisierend. Da gehört schon viel mehr dazu. Richtig ist, dass der bereits bestehende Diskurs zwischen der Gesellschaft und Influencer-Branche weiter fortgeführt wird. So hat die noch junge Branche die Chance sich zu verbessern und zu verfestigen. Denn sie hat viele gute Seiten. Sie bietet Menschen Orientierung, gibt Inspiration und Motivation und sie vermittelt Wissen, auch bezüglich Themen, die in den großen Verlagen und Magazinen dieser Welt, keine Beachtung finden.

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