Mit steigender Reichweite kommt in der Regel der berufliche Erfolg als Influencer:in. Doch wird man dann auch glücklicher? Es kommt drauf an, sagt Influencer-Beraterin und dipl. Mentaltrainerin Jenny Wiesalla. Ihre Glück-Erfolg-Matrix ordnet ein, wer auf welcher Seite stehen könnte und worauf es beim Glück wirklich ankommt.

Gastautorin: Jenny Wiesalla, Mentaltrainerin

Jenny Wiesalla (41) ist dipl. Mentaltrainerin und Artist Managerin bei der YOUciety GmbH. In ihrer Arbeit mit Influencer:innen erkannte sie schnell, dass die mentalen Herausforderungen für diese extrem hoch sind und es an professioneller Unterstützung und Begleitung mangelt. Als Antwort auf diesen Mangel entwickelte sie mit Co-Founder René Schwabe Intu:Influence, ein in DACH einzigartiges Consulting-Programm für Influencer:innen, die ein erfüllendes Business nachhaltig und im Einklang mit ihren Werten gestalten wollen.

intuinfluence.de /// LinkedIn /// Instagram

Es ist bitter, wenn der ersehnte Erfolg ausbleibt. Jedoch ist es noch bitterer, erfolgreich und unglücklich zu sein.

Erfolg als Influencer:in gilt heutzutage als erstrebenswertes Ziel. Selbstausdruck und Kreativität, vielversprechende Karriere-und Einkommensmöglichkeiten, Community-Aufbau durch eigene Interessen und die eigene Leidenschaft sowie Einfluss und Inspiration für andere zu sein, sind ein verführerischer Mix aus Zutaten für ein erfüllendes Leben in Saus und Braus. Sehr schnell kann aus einer Passion ein Imperium werden.

Burnout trotz Erfolg als Influencer:in!?

Die Influencer Marketing Branche boomt. Was außerdem boomt, sind Creator Burnouts. Fast täglich lesen wir Geschichten von jungen, vermeintlich sehr erfolgreichen Menschen, die nicht mehr können. Am aktuellsten und für mich bezeichnendsten ist die Geschichte von Louisa Dellert.

Aber woran zerbrechen diese Menschen, deren Leben nach außen hin so viel Glanz und Erstrebenswertes ausstrahlt? Ist es die Sucht nach Anerkennung und Bestätigung? Das ständige Vergleichen? Ist es der Druck, dass man nie genau weiß, ob man vielleicht morgen schon gecancelt ist? Oder ist es vielleicht doch die fehlende Balance zwischen Online und Offline?

„Eins ist klar: So individuell wie die Definition von Erfolg ist, so individuell sind auch die Gründe für die Erschöpfung.“
– Jenny Wiesalla, Intu:Influence

Als Mentaltrainerin für Influencer:innen habe ich meine Untersuchung hauptsächlich dem Zusammenhang zwischen Glück (oder auch Erfüllung, Zufriedenheit) und Erfolg gewidmet. Der Mangel an persönlicher Erfüllung ist ein Treiber auf dem Weg ins Burnout.

Zusammenhang zwischen Glück und Erfolg

Wenn der berufliche Erfolg nicht mit persönlicher Erfüllung und Zufriedenheit einhergeht, kann sich eine innere Leere entwickeln. Das Gefühl, dass der Erfolg allein nicht ausreicht, um Glück und Zufriedenheit zu erlangen, kann zu einem Gefühl der Sinnlosigkeit führen. Der Glaube, dass Erfolg automatisch Glück mit sich bringt, führt leider nur zu unerfüllten Erwartungen. 

Wir arbeiten bei Intu:Influence mit unserer eigens entwickelten “Glück-Erfolg-Matrix”.

Die Glück-Erfolg-Matrix und ihre Archetypen

Mittels einer Selbsteinschätzung wird festgelegt, wie man das eigene Level von Glück und Erfolg aktuell bemessen würde. Die Skalierung reicht in beiden Fällen von Minus 10 bis 10. Anhand der ermittelten Koordinaten kann man sich selbst gut einordnen und identifizieren, wo man gerade steht. 

Es ergeben sich vier Archetypen. Archetypen dienen der Versinnbildlichung und sind keine Beschreibung von Menschen. Sie sind als universelle Sprache einzuordnen, die uns hilft Muster und Zusammenhänge zu verstehen. 

Spoiler: Wir werden sehen, dass es bei keinem der vier Archetypen einen Zusammenhang zwischen Glück und Erfolg gibt und jeder mit einem Fuß im Burnout steht.

Glück-Erfolg-Matrix © YOUciety GmbH
Glück-Erfolg-Matrix © YOUciety GmbH

A - Nicht erfolgreich und glücklich - Archetyp “Lucky Loser”

Lucky Loser sind im Grunde genommen zufrieden mit ihrem Leben, wünschen sich jedoch mehr Erfolg. Sie schieben die Verantwortung gerne auf äußere Faktoren, wie den berüchtigten Algorithmus oder das vermeintlich unfähige Management. 

Der Schmerz der Lucky Loser manifestiert sich in verschiedenen Aspekten ihres Denkens und Handelns. Sie nehmen gerne die Opferrolle ein und betrachten den Erfolg als etwas, das von äußeren Umständen gewährt wird, anstatt als Ergebnis ihrer eigenen Bemühungen und Entscheidungen. Dadurch nehmen sie weniger aktiv Einfluss auf den eigenen Erfolg. Prokrastination durch Perfektionismus ist eine weitere Herausforderung, mit der Lucky Loser konfrontiert sind. Aus Angst vor möglichen Fehlern, Misserfolgen oder aufgrund des Impostor-Syndroms, unterschätzen sie sich selbst und verpassen Chancen, sich zu präsentieren und ihre Fähigkeiten zu zeigen.

Mit wachsendem Erfolgsdruck steigt die Tendenz zum Ausbrennen. Es ist wichtig, dass Lucky Loser ihr Selbstbild überprüfen und aufwerten. Sie dürfen anerkennen, dass sie selbst die Fähigkeiten haben, um ihren eigenen Erfolg maßgeblich zu beeinflussen. Dadurch kommen sie mehr in die Eigenverantwortung und beginnen aktiv Verantwortung für ihre Entscheidungen und Handlungen zu übernehmen.

Des Weiteren ist es ratsam, klare Ziele zu setzen und eine strategische Herangehensweise zur Verfolgung dieser Ziele zu entwickeln. Dies kann helfen, die Prokrastination zu reduzieren und den Fokus zu stärken. Außerdem dürfen Lucky Loser vor allem ihre Business-Skills aufpolieren. Sie dürfen sich aktiv darum bemühen, diese Fähigkeiten zu erwerben und einzusetzen, die für ihren beruflichen Erfolg erforderlich sind. Dies können sowohl technisches Know-how als auch zwischenmenschliche Fähigkeiten sein.

B - Erfolgreich und glücklich - Archetyp “Lucky Winner”

Lucky Winner sind erfolgreich und auch glücklich. Was gibt es Schöneres?

Was viele nicht wissen, die noch nie richtig erfolgreich waren, ist, dass ganz neue Schmerzpunkte dazu kommen. Der Druck, den Erfolg aufrechtzuerhalten, stellt

 eine enorme Belastung dar. Es ist an der Zeit, smarte Entscheidungen zu treffen, zu investieren und für Entlastung zu sorgen. Dafür dürfen Lucky Winner bereit sein, Dinge aus der Hand zu geben. Das ist bei einer Personal Brand gar nicht so einfach. Dazu kommt, dass der Kreis von vertrauten Personen kleiner wird. Die Luft oben ist dünn und rau. Es gibt nicht mehr viele Weggefährten aus dem alten Umfeld, die jetzt noch mitreden können. Dazu kommt, dass sie sich nun als “erfolgreiche und privilegierte Person” nicht mehr erlauben, unzufrieden zu sein - aka “Anderen geht es viel schlechter und die jammern auch nicht. Sei doch einfach mal zufrieden!”

Damit Lucky Winner nicht ausbrennen, arbeiten wir mit ihnen vor allem am Selbstkonzept “I can have it all”. Das ist eine Einstellung, die sich viele aufgrund ihrer Prägungen nicht erlauben.

C - Nicht erfolgreich und nicht glücklich - Archetyp “Sad Loser”

Sad Loser empfinden sich weder als erfolgreich noch als glücklich. Sie sind davon überzeugt, dass sie erst glücklich sein können, wenn sie auch erfolgreich sind. Damit bürden sie dem beruflichen Erfolg einen extrem hohen Erwartungsdruck auf, der es fast unmöglich macht, Ziele zu erreichen und dabei nicht auszubrennen.

Ähnlich wie die Lucky Loser, haben auch Sad Loser mangelnde Skills. Die gute Nachricht ist, dass man alles lernen und Fähigkeiten vertiefen kann. Beim Sad Loser kommt noch ein großes Selbstwert-Thema dazu. Sie denken, dass sie es gar nicht verdient haben, erfolgreich zu werden. Das kann sogar so weit gehen, dass sie damit ihre Fähigkeiten sabotieren. Sie dürfen zuerst lernen, was in ihrem Leben wirklich zu Erfüllung führt und dann ihre eigene Definition von Erfolg ermitteln. Weil sie zu wenig bei sich selbst sind, vergleichen sie sich zu viel mit anderen. 

D - Erfolgreich und nicht glücklich - “Sad Winner”

Sad Winner würden sich als erfolgreich bezeichnen, aber nicht glücklich und erfüllt. Sie sind den schmerzhaften Weg gegangen und haben festgestellt, dass sich persönliche Erfüllung nicht automatisch einstellt, nur weil sie beruflich erfolgreich sind. Meist mussten sie auf dem Weg zum Erfolg einige Hürden in Kauf nehmen. Dabei haben sie sich immer mehr von sich selbst entfernt (andernfalls wären sie Lucky Winner) und haben dadurch gelernt, dass sie zwar erfolgreich sein können, dabei aber nicht so sein können, wie sie wirklich sind. Sie bekommen tolle Jobs, die aber keine Freude mehr machen. Der Erfolgsdruck steigt, wie beim Lucky Winner, und ist zusätzlich an den Selbstwert der Person geknüpft. Es fühlt sich für Sad Winner nicht sicher an, sie selbst zu sein. Sie denken, dass ihre Karriere auf dem Spiel steht, wenn man plötzlich entdecken würde, wer sie wirklich sind. Sie fühlen sich selbst nicht mehr, was den Weg ins Burnout maßgeblich ebnet.

Glück-Erfolg-Matrix Glaubenssätze und Handlungsempfehlungen © YOUciety GmbH
Glück-Erfolg-Matrix Glaubenssätze und Handlungsempfehlungen © YOUciety GmbH

Erfolg und Glück - Ein fragiles Gleichgewicht, das es zu bewahren gilt

Das Fazit für alle Archetypen ist, dass ihr öffentlicher Wert nie an ihren persönlichen Wert geknüpft ist. Alle werden irgendwann feststellen, dass ihr äußerer Erfolg allein nicht ausreicht, um sich erfüllt und glücklich zu fühlen. Vielmehr ist es entscheidend, Strategien zu entwickeln, um dieses fragile Gleichgewicht zu bewahren. Mentoren oder Coaches können hier wertvolle Begleiter und Unterstützer sein. Achtsamkeit im Alltag und das Finden von Glück in kleinen Dingen können eine stabile Basis schaffen. Klare berufliche Ziele, die durch Selbstwirksamkeit bestätigt werden, sind von Bedeutung. Regelmäßige Social Media Pausen und der Verzicht auf ständige Vergleiche können helfen, eine gesunde Distanz zu wahren. Es ist entscheidend, auch außerhalb der digitalen Welt tiefe und erfüllende Beziehungen aufzubauen. Letztlich ist es wichtig, sich selbst zu verstehen und zu akzeptieren, unabhängig von Followerzahl, Reichweite und Engagement.

Teile diesen Beitrag